Ethik.

Fragen des Menschseins, Werteinsicht und verantwortungsvolles Handeln.

Die Rolle des Ethikunterrichts in Bayern.

Für Schüler, die nicht am Religionsunterricht teilnehmen“, so heißt es im Artikel 137 der Bayerischen Verfassung, „ist ein Unterricht über die allgemein anerkannten Grundsätze der Sittlichkeit einzurichten.“ Und das Bayerische Erziehungs- und Unterrichtsgesetz führt in Artikel 47 näher aus: „Der Ethikunterricht dient der Erziehung der Schülerinnen und Schüler zu werteinsichtigem Urteilen und Handeln. Sein Inhalt orientiert sich an den sittlichen Grundsätzen, wie sie in der Verfassung und im Grundgesetz niedergelegt sind. Im Übrigen berücksichtigt er die Pluralität der Bekenntnisse und Weltanschauungen.“ Damit ist der Ethikunterricht bestimmt für jene, die etwas nicht machen, nämlich am Religionsunterricht teilnehmen. Und inhaltlich wird dieser Unterricht auf die „Sittlichkeit“ festgelegt, auf Grundsätze, wie sie in Verfassung und Grundgesetz niedergelegt seien. 

Was aber heißt das, „Sittlichkeit“ zu unterrichten? Zu „werteinsichtigem Handeln und Urteilen“ zu erziehen? Versteht sich das nicht von selbst? Ist das nicht Grundlage jeglichen Unterrichts an jeder Schule oder auch außerhalb der Schule? Stellt man weiterhin in Rechnung, dass man in Bayern erst in jüngster Zeit die Notwendigkeit einer systematischen, den anderen Fächern gleichgestellten Ausbildung der Lehrkräfte für dieses Fach erkannt hat, könnte man meinen, dass die Bedeutung dieser Disziplin wohl eher im niederrangigen Bereich anzusiedeln ist. Blickt man dann auf die allenthalben zu gewärtigende öffentliche Klage zum (tatsächlichen oder vermeintlichen) Werteverlust oder Wertewandel in der Gesellschaft, der gerade die verfassungsmäßig geforderte „Sittlichkeit“ gefährde, kann man sich fragen, wie es zu diesem Widerspruch einer Bildungspraxis kommt, die doch auf der Höhe der Zeit sein will. 

Vollends kompliziert wird es, wenn man schließlich auf das Fach schaut, wie es in der Lehramtsprüfungsordnung für Bayern genannt wird. Dort heißt es Philosophie/Ethik. Hier bekennt man sich also dazu, dass die Ethik seit jeher eine Disziplin der Philosophie ist, ja dass Ethik ohne Philosophie nicht zu haben ist.

Grenzen und Ziele des Ethikunterrichts.

Nun wäre es vermessen zu glauben, man könne mit einem Curriculum und zwei Wochenstunden dem Verfall der „Sittlichkeit“ oder der Moral vorbeugen, zumal die Schule ohnehin dazu neigt, ihren Unterricht zu überschätzen (etwas anderes ergibt sich wohl, wenn man auf Außerunterrichtliches oder grundsätzlich auf den institutionellen Druck der Schule schaut). Ebenso wenig wie der Sozialkundeunterricht sicherstellen kann, dass am Ende nur Demokraten die Schule verlassen, kann der Ethikunterricht für die moralische Unbedenklichkeit im Handeln seiner Absolventen garantieren. Er will es auch nicht. Ethikunterricht ist kein Moralunterricht.

Philosophische Grundlagen des Ethikunterrichts.

Wie betont, ist die Ethik Teil der Philosophie: Das heißt, ohne philosophische Grundlegung kommt es nicht zu ethischen Einsichten. Bekanntlich stand am Anfang des Erkenntnisweges von Sokrates, auf den das berühmte Zitat, „Ich weiß, dass ich nichts weiß“ zurückgeht,  jene – übrigens, wie in der Apologie, seiner Verteidigungsrede, verbürgt, ihn selbst gleichsam einem Fliegenstich irritierende – Behauptung des Orakels von Delphi, dass keiner weiser als er, Sokrates, sei. Aus seinem Staunen darüber, dass er, der vielmehr davon ausging, im Vergleich zu seinen Zeitgenossen nichts zu wissen, nun ein Weiser sein soll, begab er sich auf die Suche nach Antworten.  

Als er aber nur begrenzt Wissende und zumal eine Vielzahl von Athenern fand, die ihre Meinungen für Wissen hielten, und er dies seinen Gesprächspartnern gegenüber entsprechend kundtat, als sie ihm und nicht sich selbst zürnten, und als sein Wirken junge Leute, die einen aus Gründen aufrichtiger Wahrheitssuche, die anderen aus Geltungssucht und Sensationslust, dazu veranlasste, mit bestehenden Konventionen, Werten und Normen, aber auch mit wichtigen öffentlichen Personen kritisch ins Gericht zu gehen, wurde Sokrates u.a. wegen der Verführung der Jugend angeklagt. 

Er ließ sich – trotz vorhandener Auswege – mit dem Tode zur Rechenschaft ziehen, jedoch nicht ohne zuvor den Grund zu erläutern, warum es ihm unmöglich sei, anders zu handeln: „Solange ich atme und dazu imstande bin, [werde ich] nimmer aufhören, zu philosophieren und auf euch einzureden und jedem von euch, den ich treffe, ins Gewissen zu reden […]. Und das werde ich bei Jüngeren und Älteren tun, wie ich sie treffe, und bei Fremden und Einheimischen […]. [Denn ich bin jemand], der gleichsam, so lächerlich das klingt, durch göttlichen Ratschluß der Stadt beigegeben ist wie einem großen und edlen Pferde, das indes wegen seiner Größe etwas träge ist und von einer Stechfliege angestachelt werden muß […].“ 

Ethikunterricht am Oskar-von-Miller-Gymnasium

Von der Unter- bis zur Oberstufe gehört das Fach Ethik mit zwei Schulstunden zum Wahlpflichtbereich.

Wahlkurs Philosophie, der sowohl in der Mittelstufe als auch in der Oberstufe belegt werden kann, bietet Schülerinnen und Schülern Gelegenheit, sich auf Grundlage philosophischer Texte im Philosophieren zu üben.

In der Oberstufe können im Fach Ethik zudem W- und P-Seminare belegt werden. 

Ethik gehört am „Oskar“ auch zu den beliebten Abiturfächern, d.h. in Ethik können schriftliche oder mündliche Abiturprüfung abgelegt werden.

Das hat erst einmal nichts mit dem moralischen Handeln zu tun. Wie Immanuel Kant in seiner Ethik betont, bedarf es keiner Kenntnis ethischer Theorien, um zu wissen, wie zu handeln sei. Auch Kinder von zehn Jahren, sagt er, seien in der Lage, Unrecht zu erkennen und moralisch in Frage zu stellen. Das ist keine Kompetenz, die jenseits der lebensweltlichen Praxis zu lernen sei (etwa in der Schule oder durch die Lektüre Kants berühmter Schrift Grundlegung der Metaphysik der Sitten). 

Was Ethikunterricht also macht, ist genau die Reflexion dessen: Warum wir wie handeln (sollen). Wobei Reflexion hier nicht einfach als rein kognitive, rationale Tätigkeit zu verstehen ist, sondern alle Seinsweisen des Menschen umfasst und anspricht. Bildung kann, wie Amartya Sen betont, nicht nur darin bestehen, Schüler und Schülerinnen in eine überkommene Sittlichkeit einzugewöhnen, sondern diese müssten auch darin unterstützt werden, die Fähigkeit zu entwickeln, über neue Entscheidungen zu reflektieren, die jeder und jede spätestens als erwachsene Person treffen muss, um sein, um ihr Leben als selbstbestimmtes Leben führen zu können. Bildung allein reicht aber nicht aus. Haltung. Erst an der Haltung zeigt sich, was Menschen aus ihrer Bildung machen, ob man also mit der Fackel in der Hand am helllichten Tage nach Menschen suchen muss oder eben nicht. Einen nicht unbeträchtlichen Teil zur Einsicht in die Bedeutung einer Menschen und Natur würdigenden Haltung trägt also Ethik als Teil der Philosophie bei.

Das ist schon alles. Und das kann man jenseits aller Lehrplanmoden auf vielfältige Weise tun. Insofern kann man auch die Bestimmung aus Art.47 BayEUG beim Wort nehmen. „Werteinsichtiges Urteilen und Handeln“: Wenn man weiß, was Werte sind (und was sie nicht sind), kann man auch verantwortlich urteilen und handeln.

Und darum geht es im Ethikunterricht, ganz gleich welche Themen man sich vornimmt, welcher Methoden sich bedient (die beste ist immer noch: denken) oder ob man den neuesten digitalen Trends huldigt – das sind kontingente Bestimmungen. Die Praxis des ethischen Nachdenkens ist mehrere tausend Jahre alt, und die Einübung in diese Lehre gelingt immer noch am besten über das Gespräch. Mehr braucht es nicht.

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